Parteien und Streit: Aurento GmbH gegen den ehemaligen Leasingnehmer wegen 714 € für angebliche Schäden am zurückgegebenen Opel Crossland (Stoßfänger vorne, Kennzeichen; Kratzer an der Motorhaube teils als Vorschaden dokumentiert). Kleiner Betrag, große Wirkung: Gutachterkosten ca. 2.000 €.
Prozessverlauf: Das Fahrzeug wurde nach Rückgabe repariert und verkauft – bevor ein gerichtlicher Sachverständiger es überhaupt ansehen konnte. Die Beweisaufnahme war damit herrlich ungestört von lästigen Realbefunden. Dennoch wurde ein Gutachten beauftragt, das allein auf Fotos basiert. Ergebnis: Schäden plausibel, Kosten nachvollziehbar. Wer braucht schon „Auge, Ohr und Nase am Objekt“?
Einwände des Beklagten (selbst vertreten):
Beweisvereitelung durch Verkauf/Reparatur des Fahrzeugs vor der Beweisaufnahme.
Unverwertbarkeit eines reinen Fotogutachtens.
Falsche Anspruchsgrundlage (fiktive Reparaturkosten trotz Weiterverkaufs; eigentlich Minderwert).
Angebot von Smart-Repair als mildere, günstigere Lösung – unbeachtet.
Urteil 1. Instanz: Klage voll stattgegeben (714 € plus Nebenkosten). Das Gericht hält die Einwände für „lebensfern“. Die fast vollständige Kostenlast – einschließlich der rund 2.000 € Sachverständigenkosten – trägt der Beklagte. Verhältnismäßigkeit at its best.
Richterliche „Lebensferne“ konkret: Mit „lebensfern“ meint das Gericht insbesondere den Einwand, die Klägerin könne selbst einen Schaden verursacht haben – etwa weil die Beklagte bei der Rückgabe im Wartebereich Platz nehmen musste, während die Klägerin das Fahrzeug eigenständig über ihr Gelände bewegte. Dass bei dieser Art der Erstanaugenscheinnahme Manipulationen oder neue Beschädigungen jedenfalls nicht ausgeschlossen werden können, fiel unter die Rubrik: eher unwahrscheinlich bis undenkbar.
Juristische Bruchstellen:
Beweisvereitelung durch Entzug des Beweisobjekts nicht ernsthaft gewürdigt.
Reines Fotogutachten als tragende Beweisgrundlage akzeptiert, trotz verbreiteter Skepsis der Instanzrechtsprechung.
Zuerkennung fiktiver Reparaturkosten trotz Weiterverkaufs – der Minderwertansatz blieb unbehandelt.
Schadensminderung (Smart-Repair) praktisch ignoriert.
Kostenverteilung ohne sichtbare Veranlasserprüfung.
Quintessenz:
Ein 714€-Fall, der dank verkauftem Beweisobjekt, Fotogutachten und großzügiger Kostenlast zum Paradebeispiel wurde, wie man aus kleinen Dingen große Verfahren macht – nur nicht zwingend mit großer Beweisstrenge. Und wenn der Einwand, dass die Klägerin beim Alleinfahren mit dem Wagen auf ihrem Gelände auch selbst Schäden hätte setzen können, „lebensfern“ sein soll, dann ist Lebensnähe offenbar Geschmackssache.
Quellennachweis: Urteil vom 06.08.2025 Amtsgericht Kempen - Aktenzeichen 13 C 70/24